Samstag, 10. Juni 2017

Woche Zehn: Ausflug nach Mahabalipuram

Bereits am Sonntag der vorvergangenen Woche, dem 28. Mai, unternahmen wir, nachdem wir den allwöchentlichen Sonntagsgottesdienst hinter uns gebracht hatten, einen Ausflug in den kleinen Küstenort Mahabalipuram/Mamallapuram, kurz „Mahabs“, der sich etwa 55 Kilometer südlich von Chennai befindet. Zu viert waren wir rund zwei volle Stunden auf dem Motorrad unterwegs, um nach Mahabs zu gelangen. Dies war aufgrund der etwas anderen Begleitumstände (ich trug bei bis zu 80 Stundenkilometern keinen Helm) zwar sehr abenteuerlich und auf Dauer auch sehr anstrengend, gerade für mein Sitzfleisch, aber andererseits führte uns unsere Route fast einmal komplett an Chennai vorbei, was ich sehr interessant fand und wobei ich viel zu sehen bekam: Einsame Tempel auf Hügelkuppen, ausgetrocknete Seen, hochmoderne IT-Zentren und vor allem ohne Ende sich im Bau befindende Hochhäuser, deren Rohbauten wie Skelette ausgestorbener Riesenwesen den Horizont und den Rand der Straße säumten. Die Fahrt war alleine aufgrund dieser Aussicht und der vielfältigen und wechselnden Eindrücke lohnenswert.



Nach der sich am Ende doch hinziehenden Fahrt erreichten wir schließlich unser Ziel: Den bedeutendsten Hafen der Pallava-Zeit aus dem 7. nachchristlichen Jahrhundert. Bereits auf den letzten Kilometern waren wir an auffallend vielen Hotelanlagen und Ferien-Ressorts vorbeigefahren, die von Mahabalipurams mittlerweile hoher Popularität als Ausflugs- und Urlaubsziel profitieren möchten. Und in der Tat, neben seiner, ähnlich wie Hampi, hohen Dichte an alten Gemäuern kann der Ort mit beeindruckenden Sandstränden aufwarten. Im Vergleich zum Marina Beach, dem angeblich zweitlängsten Strand dieses Planeten, waren diese sogar ziemlich sauber, trotz einer ordentlichen Fülle an Besuchern.

Ebenfalls ähnlich wie in Hampi ist das Gebiet durch große, hochaufragende Granitfelsen geprägt. Viele der Anlagen, die zwar meist kleiner, dafür aber kunstvoller herausgearbeitet sind, sind in diese Granite gehauen, wo sie dann kultischen Zwecken dienten. Viele der Bauten, wie beispielsweise die „Pancha Rathas“ dienten wohl aber nicht der Verehrung von Göttern, sondern wurden gebaut, um mögliche Tempelstile zu entwickeln und zu veranschaulichen, da erst in der Pallava-Zeit ein Wandel von Höhlen- zu freistehenden Tempeln vollzogen wurde. So wurde die Gestaltung der Dachaufbauten wichtiger und es musste quasi „aus dem Nichts“ ein Stil kreiert werden. Diese Neuerungen schlugen sich letztlich im für Südindien so typischen Dravida-Stil mit seinen kunstvoll verzierten Gopurams nieder.




Die Pallava selber herrschten vom späten 6. bis zum ausgehenden 9. Jahrhundert über bedeutende Teile der heutigen Bundesstaaten Tamil Nadu, Andhra Pradesh und Karnataka. Hauptstadt war Kanchipuram, der Ort, an dem Luca und Joelle sich registrieren lassen mussten, etwa 85 Kilometer südwestlich von Chennai. Von Mahabalipuram aus trieben sie Handel mit der Malaiischen Halbinsel, Java und bis ins heutige Kambodscha. Bedeutend für die Nachwelt sind sie vor allem wegen ihrer kulturellen Leistungen. So befand sich die älteste und berühmteste Universität Indiens in Kanchipuram. Des Weiteren förderten sie die Sprachen Prakrit, Sanskrit und später Tamil, und waren für die in Mahabalipuram so omnipräsenten Steinskulpturen bekannt, sowie, wie bereits oben erwähnt, für ihre freistehenden Tempel, unter denen besonders der Küstentempel in Mahabs hervorzuheben ist.. Ihr Ursprung hingegen bleibt im Dunkeln. Einige Wissenschaftler verorten diesen nach Andhra Pradesh, andere nach Sri Lanka, wiederum andere sogar ins alte Persien.

Ebenfalls interessant ist eine alte Legende, nach der an der Küste zum Golf von Bengalen einst nicht nur einer, sondern insgesamt sieben Tempel standen, bis der Gott Indra die sechs tiefer gelegenen aus Eifersucht im Meer versenkt habe. Fischer erzählen sich, dass man noch heute die Spitzen der Dächer unter der Meeresoberfläche von Fischerbooten aus sehen könne. Bereits Marco Polo habe im 13. Jahrhundert die Stadt auf einer Karte vermerkt. Infolge der britischen Kolonialherrschaft, die u.a. in Madras ihren Ausgangspunkt nahm, wuchs das Interesse an der indischen Vergangenheit stetig und so rückte auch der Mythos von den Sieben Pagoden in das Blickfeld europäischer Abenteurer und Entdecker. Erst im Jahr 2004 jedoch, im Zuge des Tsunamis, der Weihnachten verheerende Verwüstungen im Indischen Ozean hinterließ, wurden vor der Küste liegende Gebäude freigelegt, die als Beweis für größere Tempelanlagen dienen. Ob diese im Zusammenhang mit der Erzählung von den Sieben Pagoden stehen, sei jedoch nicht gesichert.





Neben seiner reichen kulturellen Vergangenheit ist Mahabalipuram ebenfalls als ein Zentrum indischer Steinmetzkunst berühmt. Da war es nicht weiter überraschend, dass, da die Haupturlaubssaison, wie in vielen anderen Orten, auch hier jetzt vorbei ist, viele der Läden überwiegend Steinstatuen und Figuren unterschiedlichster Größen im Angebot hatten, von kleinsten Buddhas hin zu übermannsgroßen Ganeshas. Für mich selbst kaufte ich eine kleine Nataraja-Statue, die den Gott des Tanzes im kosmischen Flammenkreis zeigt.

Insgesamt lohnt sich ein Besuch in Mamallapuram allein schon wegen der vielen Tempelbauten, aber auch die Strände sind sehr sehenswert. Am meisten beeindruckt hat mich der Shore Temple, stark vom Stil aller anderen Tempel, die mir hier bisher unter die Augen gekommen sind, abweicht. Tatsächlich erinnert er von seiner Form her an eine buddhistische Pagode, wie es der Mythos beschreibt. Unglücklicherweise haben die Zeit, das Wetter und insbesondere das Salzwasser ihren Tribut gefordert, sodass viele Details nicht mehr zu erkennen sind. Auch scheinen die Strände bei indischen Touristen sehr beliebt zu sein, denn sie waren ausgesprochen voll. Im Wasser anzutreffen waren allerdings nur sehr wenige, sodass einer Abkühlung am Ende des Tages, bevor es in der einsetzenden Abenddämmerung nach Chennai zurückgehen sollte, nichts im Wege stand.




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