Sonntag, 21. Mai 2017

Woche Sieben: Die tamilische Sprache

In diesem Beitrag, der ausnahmsweise mal etwas kürzer sein wird, möchte ich mich der tamilischen Sprache widmen, ihren Ursprung und ihre Geschichte erläutern sowie einige Schriftzeichen und einfache Phänomene erklären. Grund des ganzen ist der, dass ich mich nun doch entschlossen habe, soweit möglich die Sprache zu lernen, allerdings muss ich da wohl noch ein bisschen bei meinem Gastbruder nachhaken, den ich darum gebeten hatte.
Tamil ist Teil der dravidischen Sprachfamilie, die auf dem Süden des Indischen Subkontinents verbreitet ist. Weitere verwandte Sprachen sind Telugu, Malayalam und Kannada, die in den jeweils angrenzenden Bundesstaaten gesprochen werden. Tamil selbst hat seine meisten Sprecher – logischerweise – mit etwa 63 Millionen in Tamil Nadu (was soviel wie „Land der Tamilen“ heißt), denn die Grenzen des damals noch unter dem Namen Madras fungierenden Bundesstaates wurden nach der indischen Unabhängigkeit, wie auch in den anderen Staaten, anhand der Sprachgrenzen festgelegt. Nichtsdestotrotz gibt es natürlich auch Sprecher der oben genannten Sprachen sowie Urdu in Tamil Nadu, ebenso wie es Tamil-Sprecher in Kerala, Karnataka und Andhra Pradesh gibt. Dazu ist Tamil anerkannte Amtssprache auf Sri Lanka (vielleicht sagen dem ein oder anderen die „Tamilischen Tiger“ etwas) und in Singapur sowie eine anerkannte Minderheitensprache in Malaysia, auf Mauritius und in Südafrika. Insgesamt gibt es weltweit rund 65 Millionen Menschen, die Tamil als Erst- sowie etwa 8 Millionen, die Tamil als Zweitsprache sprechen.

Wie ich bereits in einem anderen Beitrag geschrieben hatte, gibt es in Indien zwei große Sprachfamilien, die nicht miteinander verwandt sind. Die indogermanischen arischen Sprachen und die dravidischen Sprachen. Während sich der Weg der indoarischen Sprachen nach Indien relativ gut nachverfolgen lässt, ist der Ursprung der dravidischen Sprachen unklar, da unbekannt ist, ob sie in Indien autochthon sind oder von außerhalb nach dort gelangten. Sehr wohl gibt es zwar eine unter tamilischen Nationalisten weit verbreitete Idee, nach der die Tamilen vom versunkenen Kontinent Kumarikkandam stammten und dort die Wiege der der Menschheit liege (mit einem homo dravida als dem Urmenschen). Dieser Kontinent solle sich einst vom Kap Komorin (oder Kanyakumari auf Tamil) bis nach Madagaskar und Australien erstreckt haben. Sehr wohl lässt sich diese Behauptung, die auch durch die in Chennai ansässige Theoophische Gesellschaft (ein interessantes Thema für sich; zu empfehlen dazu Das foucaultsche Pendel von Umberto Eco) in esoterischen Kreisen weite Verbreitung gefunden hat, jedoch ins Reich der Legenden verweisen, wird allerdings immer noch dazu verwendet, um eine besondere Bedeutung des Tamil zu postulieren.

Insgesamt lässt sich konstatieren, dass die Tamilen ausgesprochen stolz auf ihre Sprache sind, so wurde uns vor etwa drei Wochen erzählt, der indische Premierminister Narendra Modi habe Tamil „zur schönsten indischen Sprache erklärt“. Um die Jahrhundertwende bildete sich die tamilisch-nationalistische „Dravidische Bewegung“ heraus, die für einen unabhängigen Dravidenstaat unter tamilischer Führung eintrat und sich gegen die gesellschaftliche Vorherrschaft der brahmanischen Priesterkaste wandte. Unter Einfluss dieser Bewegung wurden viele Lehnwörter aus dem Sanskrit, aus denen um 1900 die tamilische Schriftsprache zu etwa 50 Prozent bestand, durch Wortneuschöpfungen unter Bezugnahme auf das Alt-Tamilische ersetzt, sodass Mitte des Jahrhunderts nur noch rund 20 Prozent des Wortschatzes sanskritischen Ursprungs waren. Allerdings tun sich diese neuen Begriffe bis heute schwer gegen Lehnwörter aus dem Englischen, die mittlerweile weitverbreitet sind.

Als eine von nur sechs Sprachen hat das Tamil den offiziellen Status einer klassischen Sprache, was sich durch seine gut zweitausendjährige Geschichte erklären lässt. Daneben gilt es als von den arischen Sprachen am wenigsten beeinflusste dravidische Sprache, während z.B. in Kannada deutlich mehr Begriffe aus dem Sanskrit entlehnt sind.

Zudem existiert im Tamilischen eine überaus ausgeprägte Diglossie, Schrift- und Umgangssprache unterscheiden sich stark voneinander. Dabei neigt die Umgangssprache dazu, Wortendungen teils extrem zu verknappen und überhaupt die Struktur der Sätze und Wörter zu vereinfachen und sie mit englischen Begriffen anzureichern. Während die Schriftsprache, die darüber hinaus weitaus mehr Prestige besitzt, vor allem im Rundfunk, in der Literatur und bei wichtigen Anlässen zum Einsatz kommt, wird die Umgangssprache für die alltägliche Konversation verwendet (Wer hätte das gedacht?). Darüber hinaus sind auch die Dialekte dort deutlich ausgeprägter, wobei hier vor allem auf die Unterschiede zwischen den Dialekten Tamil Nadus und Sri Lankas zu verweisen ist. Dazu kommen Kastendialekte und Soziolekte, sodass sich die Situation ergibt, dass man schon im nächsten Dorf einen anderen Dialekt spricht. Jedoch hat die Popularität tamilischer Filmproduktionen eine Art überregionale Umgangssprache geschaffen.

Die tamilische Schrift ist eine Mischform aus Laut- und Silbenschrift, ein sogenanntes Abugida. Dabei wird als Grundelement der inhärente Vokal a verwendet, mit denen die verschiedenen Konsonanten kombiniert werden. Wird ein anderer Vokal verwendet, wird ein für den jeweiligen Vokal stehendes diakritisches Zeichen an den Konsonanten angehängt, mit dem es eine Einheit bildet. Am Wortanfang stehen die Vokale als eigenständige Zeichen. Insgesamt gibt es zwölf Vokale und 18 Konsonanten (sowie einen aus dem Alt-Tamilischen übernommenen Laut, der halb Vokal und halb Konsonant ist), durch Kombination dieser können 216 Zeichen gebildet werden, sodass sich alles in allem 247 Schriftzeichen ergeben (Diese könnt ihr hier nachsehen: http://www.omniglot.com/writing/tamil.htm ) Dazu gibt es fünf Grantha-Zeichen, die in der Regel nur in Lehnwörtern aus dem Sanskrit verwendet werden. Typisch für die tamilische Sprache ist Syntax bestehend aus Subjekt-Objekt-Verb.

Tamil ist ziemlich kompliziert, wenn ich die Sprache lernen sollte, wird dies eine ziemliche Herausforderung. Aber wir werden sehen, mittlerweile hat mich tatsächlich der Wille gepackt, zumindest Grundlagen zu lernen und mit der Schrift vertraut zu werden, sodass ich mir später einiges selbst beibringen kann.



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen