Dienstag, 2. Mai 2017

Woche Vier: Die Sache mit dem Wasser

Werfe ich einen Blick zurück auf die vergangene Woche, so scheint auf den ersten Blick nicht viel geschehen zu sein: Höhere oder geringere Auslastung im Projekt, das Miterleben eines Streiks, der fast den gesamten öffentlichen Nahverkehr lahmlegte und die plötzliche Gelegenheit, über Bangalore nach Goa und Hampi zu fahren (wie diese Reise abgelaufen sein wird, erfahrt ihr nächste Woche).       
Mit der Arbeit im Projekt verhielt es sich weitestgehend wie die anderthalb Wochen davor, also Hunde füttern und waschen, Katzen füttern, Pferde striegeln, sowas. Allerdings waren diese Tätigkeiten, die nicht selten recht großer Mengen an Wasser bedürfen, immer häufiger von Zwangspausen durchsetzt, bedingt durch den Mangel desselben. Tatsächlich ist der hohe Verbrauch an Wasser ein reales Problem, dass sich durch das Nicht-Vorhandensein andererseits gerade in den besonders heißen und trockenen Monaten April und Mai noch verstärkt. Doch warum ist dem so?


Tamil Nadu liegt an der Südostküste Indiens, seine natürliche Grenze zu den westlich von ihm liegenden Bundesstaaten Kerala und Karnataka bilden Ausläufer der Westghats und das Dekkan-Plateau. Die Westghats wiederum ziehen sich fast bis auf Höhe von Mumbai. Dank seiner Länge bildet dieses Gebirge eine der wichtigsten Wasserscheiden des indischen Subkontinents. Der im Juni einsetzende Sommermonsun, der den meisten Teilen Indiens enorme Regenfälle bringt und so die Triebkraft der indischen Landwirtschaft darstellt, erreicht Tamil Nadu ebenso wie weite Teile des Dekkan-Hochlandes nur in Grenzen, da er sich vorher an den zwischen der Westküste und dem Hinterland liegenden Westghats abregnet. Dies hat zur Folge, dass die meiste Zeit des Jahres im Südosten des Landes nur sehr, sehr wenig Niederschlag fällt. Linderung verspricht einzig der Wintermonsun, der eigentlich vor allem aus warmen, trockenen Winden besteht und somit in großen Teilen Indiens für Dürreperioden sorgen kann. Bevor diese Winde Tamil Nadu erreichen, passieren sie jedoch den Golf von Bengalen, über dem sie Wasser aufnehmen können. Dieses Wasser fällt dann als Niederschlag auf die Böden Tamil Nadus, seine Menge ist jedoch nicht ansatzweise zu vergleichen mit der, die der Sommermonsun an die Westküste transportiert. Zudem treten statt regelmäßiger Niederschläge meistens Stürme und Zyklone auf, sodass die Regenfälle nicht selten mit Verwüstungen einhergehen.


Fällt dieser Niederschlag, aus welchen unerfindlichen Gründen auch immer, nicht, so besteht das extrem hohe Risiko einer folgenreichen Dürre. Genau dies ist im vergangenen und diesen Jahr passiert. Als die „schlimmste Dürre seit 140 Jahren“ wird diese betitelt, unter der Tamil Nadu besonders zu leiden hat. 82% weniger Niederschlag als in den vergangenen Jahren sei hier gefallen, was zur Folge hat, dass der ganze Staat unter massiven Ernteausfällen zu leiden hat, sodass schon bis zum 10. Januar, als die Landesregierung den Dürrezustand verhängte, über 140 Bauern keinen anderen Ausweg sahen, als Suizid zu begehen, da diese Dürre sie sonst in den Ruin getrieben hätte.Der letzte Niederschlag fiel im Dezember, als ein Zyklon auf die tamilische Küste traf und große Verwüstung anrichtete, deren Folgen teils immer noch spürbar sind. Und selbst dieser Zyklon brachte nur wenig Regen, weshalb die Wasserspeicher mittlerweile größtenteils leer sind. (https://en.wikipedia.org/wiki/2016%E2%80%9317_Drought_in_Tamil_Nadu )
Auf der anderen Seite habe ich den Eindruck, dass, ebenso wie beim Müll, vielen das Bewusstsein für den Ernst der Lage fehlt, wenn man beobachtet, wie verschwenderisch teils immer noch mit dem Wasser umgegangen wird. Abgesehen davon herrscht in ganz Indien das Problem, dass ein Großteil des Wassers, was auch zum Trinken verwendet wird, verunreinigt ist. Nur wenige größere Städte verfügen über Kläranlagen, und selbst diese sind nicht ansatzweise in der Lage, die Verunreinigung zu beseitigen, da z.B. in den Ganges auf seiner gesamten Länge Abwasser eingeleitet werden, sodass die Schadstoffbelastung um ein Hundertfaches höher ist, als von der indischen Zentralregierung erlaubt (selbst dieser erlaubte Grenzwert liegt um ein Vielfaches höher als in Deutschland, um sich die Verhältnismäßigkeiten ins Bewusstsein zu rufen).


Mit dem heißesten Monat des Jahres noch vor uns und bereits fast vollständig geleerten Wasser-Reservoirs steht uns eine interessante, aber auch harte Zeit bevor. Interessant in dem Sinne, dass es spannend wird zu beobachten, wie beispielsweise in dem Projekt damit umgegangen wird, denn so eine hohe Zahl an Tieren benötigt einfach viel Wasser. Hart wird es, weil viele der Tiere jetzt schon nicht in der Lage sind, die Hitze zu überstehen, sodass sie besonders unter kleinen Hunden nicht wenige Opfer fordert, und ich mir nicht auszumalen vermag, wie die Situation sich noch verschlechtert, wenn das Wasser ausgeht. Wir werden sehen.




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